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Was ist Schematherapie?

Wie bei einem Eisberg, bei dem der größte Teil unter Wasser liegt, sind unsere tiefgreifenden Prägungen und Muster häufig im Verborgenen. Sie werden nur in bestimmten Situationen aktiviert und kommen damit zum Vorschein.

Für wen ist die Schematherapie geeignet?

Die Schematherapie wurde von Jeffrey Young (US amerikanischer Psychologe und Psychotherapeut) begründet. Sie stellt eine moderne Weiterentwicklung der kognitiven Verhaltenstherapie dar.

Die Schematherapie wurde ursprünglich zur Behandlung von Persönlichkeitsstörungen entwickelt, wie z.B. für borderline oder narzisstische Persönlichkeiten. Sie lässt sich jedoch auch für andere Störungsbilder und chronische psychische Problematiken effektiv verwenden, wie z.B. für chronische Depressionen, Angststörungen, Zwangsstörungen, Substanzmissbrauch, Essstörungen etc. Mit schematherapeutischen Methoden lassen sich auch komplexe Traumafolgestörungen effektiv behandeln.

Insgesamt zielt die Schematherapie auf emotionale Probleme ab, bei denen die Wurzeln in der Kindheit oder Jugend liegen.

Es liegen eine Reihe von wissenschaftlichen Wirknachweisen für die Schematherapie vor.

Was ist die Grundidee der Schematherapie?

In der Schematherapie wird davon ausgegangen, dass wiederkehrende oder traumatische Verletzungen von emotionalen Grundbedürfnissen durch Beziehungserfahrungen in der Kindheit und Jugend zur Entstehung tiefgreifender Prägungen führen können. Diese werden maladaptive Schemata genannt. Man kann unter einem Schema ein Muster aus Emotionen, Bewertungen, Erinnerungen, und körperlichen Erlebenszuständen eines Menschen verstehen. Die Schemata überdauern, schlummern sozusagen in einem und können in der Gegenwart immer wieder durch auslösende Situationen „getriggert“ werden. Bei Aktivierung führt das dann zu einem ähnlichen Erleben wie in der Vergangenheit sowie zu den erlernten Bewältigungsstrategien, die als erwachsener Mensch häufig unangepasst und problematisch sein können. Diese Erlebenszustände werden Modi genannt. Mit anderen Worten kann man auch sagen: Man sieht die Welt nur noch durch die „Schemabrille“, fühlt sich wie in früheren Zeiten und verhält sich unbewusst dementsprechend. So wird es wesentlich schwerer sein volles Potential an Möglichkeiten auszunutzen. Damit werden die Schemata zu „Lebensfallen“, in die man immer wieder unbewusst tritt. Da die Mitmenschen diese „Lebensfallen“ nicht kennen, kann es neben einem psychischen Leiden auch zu interaktionellen Problemen kommen.

Jeffrey Young und Kollegen haben bisher 18 Schemata bei ihren Patienten:innen beobachtet und beschrieben. Aus der Erfahrung kann man sagen, dass diese so umfassend sind, die Prägungen von Menschen einordnen zu können. Jedoch ist die Anzahl an den bisher beschriebenen Schemata nicht in Stein gemeißelt und kann sich in Zukunft auch erweitern.

Welche Methoden nutzt die Schematherapie?

Die Schematherapie ist ein sehr integratives Verfahren, welches Ideen u.a. aus tiefenpsychologischen Ansätzen, der Transaktionsanalyse, der Gestalttherapie, der Bindungstheorie und der Emotionsfokussierten Therapie mit der modernen Verhaltenstherapie, in einem gut verständlichen und leicht anwendbaren Modell, vereint.

Ein besonderes Merkmal der Schematherapie stellen die erlebnisorientierten Methoden, wie imaginative Techniken und Stuhldialoge dar (näheres siehe unten). Tiefgreifende Erkenntnisse und Veränderungen lassen sich effektiv durch ein aktives Erleben von inneren Zuständen erreichen. Deshalb wird gezielt mit den aktivierten Modi gearbeitet, welche durch die dahinter liegenden Schemata ausgelöst werden. Die Modi werden anschaulich im Modusmodell dargestellt, mit dem man die innere Dynamik in der konkreten Situation sowie den Umgang damit betrachten kann.
Im therapeutischen Prozess geht es neben dem Aufdecken und Verstehen der eigenen Schemata vor dem Hintergrund der biographischen Beziehungserfahrungen, um die Entwicklung neuer Strategien und Fertigkeiten. Diese erleichtern das Aussteigen aus den „Lebensfallen“, was zu einer langfristig adaptiveren Befriedigung emotionaler Bedürfnisse und zu erfüllenden sozialen Beziehungen führen soll.

Stuhldialog

Material: © Beltz Verlag, Weinheim, Basel

Modusmodell

Poster: © Zimmermann, Hollenbach, Voß (IST-M)

Wie läuft eine Schematherapie ab?

Für gewöhnlich folgt der schematherapeutische Prozess folgenden Phasen. Die Inhalte der Phasen sind jedoch flexibel anwendbar und nicht "in Stein gemeißelt":

Kennenlernen und Diagnostik

Neben dem gegenseitigen Kennenlernen werden die relevanten Ereignisse der Lebensgeschichte erhoben, das Therapiemodell der Schematherapie vermittelt, ein Therapieplan mit Zielen und eine Fallkonzeption erstellt. Letztere dient wie eine "Landkarte" dazu sich im Therapieprozess zu orientieren und aktuelles Erleben einzuordnen. Dazu kommen die ersten Übungen, wie diagnostische Imaginationen zum Einsatz. Es werden zudem bei Bedarf erste Stabilisierungstechniken eingeübt.

Klärung der Probleme und des Hintergrundes

In dieser Phase wird intensiver am Verstehen der Probleme vor dem Hintergrund der prägenden Beziehungserfahrungen und den verdeckten Schemata gearbeitet. Dabei kommen gezielt Imaginationen zum Einsatz. Auch werden u.a. Selbstbeobachtungen genutzt sowie die Betrachtung aktueller Schwierigkeiten und Herausforderungen über Stuhldialoge. Dabei wird sich immer wieder gemeinsam auf das individuelle Modusmodell bezogen.

Bewältigung der Probleme und Veränderung

Die Schemata und aktivierten Zustände (Modi) sind bekannt und werden im Alltagsleben selbstständig aufgedeckt. Mit Stuhldialogen, Rollenspielen und anderen Techniken wird an einer Veränderung gearbeitet und der Transfer vom Therapieraum in den Alltag geübt. Damit wird der Ausstieg aus den Schemata zentraler Bestandteil dieser Therapiephase.

Aufrechterhaltung und Therapieende

Es wird weiter an konkreten Alltagskonflikten mit Schemaaktivierungen gearbeitet. Dabei wird geübt das Gelernte selbstständig umzusetzen und bewusst an der Selbstfürsorge gearbeitet. Bei erfolgreichen Veränderungen übernimmt die Patientin bzw. der Patient zunehmend Verantwortung für den Prozess.

Das schematherapeutische Modell

Folgende Grafik gibt einen vereinfachten Überblick über das Modell:

Entwicklung von

malapativen Schemata

z.B.

Emotionale Entbehrung

Verlassenheit/Instabilität

Isolation

Unzulänglichkeit/Scham

Misstrauen/Missbrauch

Versagen

Abhängigkeit

Unterordnung

Aufopferung

Unerbittliche Ansprüche

etc.

Eine konkrete Situation im Hier- und Jetzt kann verborgene Schemata auslösen

Erleben über Modi (Modusmodell)

Emotionaler Anteil / Kindmodi

verletzter Kindmodus (Trauer, Angst)

ärgerlicher/wütender Kindmodus

impulsiver/undisziplinierter Kindmodus

(glücklicher Kindmodus)

Kognitive Bewertung

Innere Kritiker/Antreiber

strafend, kritisierend, demütigend

leistungsfordernd

emotional fordernd

Bewältigungsmodi

Überkompensation - Kampf, Kontrolle, Dominanz

Vermeidung - distanzierter Beschützer, distanzierter Selbstberuhiger

Unterordnung - Aufopferung, Zurückstellen eigner Bedürfnisse

etc.

Methoden und Techniken in der Schematherapie

Die Zentralen Techniken der Schematherapie sind:

Imaginationen

In den schematherapeutischen Imaginationen wird mit inneren Vorstellungsbildern gearbeitet. Dabei handelt es sich nicht um Hypnose. Man bleibt während der Imagination bei vollem Bewusstsein.

In der Imagination werden Emotionen aktiviert und erlebbar, fast so als würde man die Situation im Hier- und Jetzt erleben. Das wird sich für die therapeutisch Arbeit zu Nutze gemacht.

Die Imaginationen helfen in Kontakt mit den emotionalen Schlüsselerfahrungen der Vergangenheit zu kommen, die der Schemaentstehung zugrunde liegen. Dies dient zum einen dazu, ein Verständnis für die Entwicklung der individuellen Schemata zu bekommen (Klärung), zum anderen wird über die Technik des imaginativen Überschreibens (rescripting), die Situation bewusst so in der Vorstellung verändert, dass die emotionalen Bedürfnisse erfüllt werden. Damit kann es zu einem neuen inneren Erleben und einer emotionalen Neubewertung kommen, was die Trennung zwischen der vergangenen Verletzung und der Gegenwart, in der die alten Lasten immer wieder aktiviert werden, erleichtert. Dies ist eine wichtige Grundlage zur emotionale "Heilung" der Schemata.

Bildhaft könnte man es sich so vorstellen: Der Arzt muss eine dreckige und entzündete Wunde erst säubern damit sie richtig heilen kann. Das tut im ersten Moment etwas weh, bringt langfristig aber Entlastung.

Stuhldialoge

In der Arbeit mit Stühlen werden die inneren Zustände (Emotionen, Bewertungen, Bewältigung) sozusagen "auseinander-gesetzt". Damit wird die Dynamik der Erlebenszustände (Modi) während der Schemaaktivierung sichtbar und erfahrbar. Der innere Konflikt kann anschließend aus einer Beobachterperspektive von oben im "Beraterteam" gemeinsam mit Therapeut:in betrachtet werden. Anschließend wird ein neuer Umgang und Lösungsstrategien erarbeitet und geübt.

Es können ganz unterschiedliche Vorgehensweisen in der Arbeit mit Stühlen während des Therapieprozesses vorkommen, je nachdem welche Problematik in der jeweiligen Sitzung bearbeitet werden soll.

Material: © Beltz Verlag, Weinheim, Basel

Veränderungsorientierte Techniken

Nachdem ein tiefes Verständnis für die Schemata und Modi vorliegt, wird in der nächsten Therapiephase an der konkreten Veränderung gearbeitet. Dabei kommen vermehrt auch Techniken der Verhaltenstherapie zum Einsatz.

Hierbei werden u.a. Rollenspiele, Tagebücher, positive Selbstinstruktionen, Modus-Memos, Tagespläne und Tagesrückblicke verwendet.

Ohne ein bewusstes aussteigen aus den bekannten Schemata und deren Dynamik, findet nur schwer eine nachhaltige Veränderung statt.

Emotionsaktivierung in der
Schematherapie

In den Techniken der Schematherapie ist die emotionale Aktivierung in der Therapiesitzung zentral. Wir entwickeln unbewusst in der Kindheit Bewältigungsreaktionen, die dazu dienen unangenehme emotionale Zustände zu vermeiden oder zu kontrollieren. Dadurch wird auch unser Verhalten stark bestimmt. Diese Strategie war in der Vergangenheit oft die beste Möglichkeit, mit schwierigen Situationen umzugehen. In der Gegenwart führen die festgefahrenen Bewältigungsmuster jedoch häufig zu Problemen, bis hin zu einer psychischen Symptomatik. Um sich aus den alten Mustern zu befreien, ist es wesentlich mit den emotionalen Zuständen hinter den Bewältigungsstrategien in Kontakt zu kommen.  Reden auf einer eher kognitiven oder rationalen Ebene hilft da oft nicht weiter, weshalb in der Schematherapie bewusst die oben beschriebenen Techniken eingesetzt werden. Damit öffnet sich ein Fenster für ein neues Erleben und neue Lösungsansätze.

Therapeutische Beziehungsgestaltung in der Schematherapie

In der Schematherapie sind Therapeut:innen weniger distanziert als in anderen Therapieverfahren. Vielmehr zeigen sich Schematherapeut:innen fürsorglich, warmherzig und empathisch (limited reparenting) und sind als Menschen authentisch. Insbesondere wenn es um den Kontakt mit verletzten Emotionen (Kindmodi) geht.

Auf der anderen Seite unterstützen sie auch zur Selbsthilfe und können klar problematisches Verhalten auf empathische Art und Weise spiegeln (empathische Konfrontation). Dabei gehen die Therapeut:innen gemeinsam mit den Patient:innen in eine Beobachterposition, um als Team an der Problematik zu arbeiten.

Im Laufe der Therapie wird die Verantwortung schrittweise den Patient:innen übergeben.

Ein Fallbeispiel (fiktiv)

Lisa, 32 Jahre

Probleme, mit denen Lisa in die Therapie kommt:

Lisa leidet seit mehreren Jahren an einer Depression und Borderline Symptomatik. Diese äußert sich durch starke Selbstzweifel und Selbstabwertungen, einer traurigen Stimmung, dem Gefühl vom Rest der Welt abgeschnitten zu sein und einer inneren Leere. Sie schafft es immer weniger die Kraft und den Antrieb für ihre Alltagsaufgaben aufzubringen und zieht sich von Freunden immer mehr zurück.

Lisa hat starke Angst von ihrem Freund verlassen zu werden und bemüht sich ihn an sich zu binden. Dabei liest sie jeden Wunsch von seinen Lippen ab, um ihn direkt zu erfüllen. Häufig geht sie dabei über ihre eigenen Bedürfnisse. Auf der anderen Seite kommt es auch zu Situationen, in denen Lisa eine starke Wut gegenüber ihrem Freund verspürt und ihn daraufhin anschreit und heftig kritisiert. Das passiert in Situationen, in denen sie sich von ihm allein gelassen fühlt. Kurz darauf bekommt sie ein schlechtes Gewissen und macht sich starke Selbstvorwürfe. Das geht so weit, dass sie eine so große innere Anspannung aufbaut, die sie nur abbauen kann in dem sie sich mit einer Rasierklinge am Unterarm ritzt. Danach fühlt sie sich wertlos und zieht sich für einige Zeit von anderen Menschen zurück.

Material:© 2020 Programm PVU Psychologie Verlags Union in der Verlagsruppe Beltz, Weinheim Basel

Biographie:

Lisa wuchs mit ihrer deutlich älteren Schwestern bei den Eltern in einer kleinen städtischen Wohnung auf. Der Vater war kaum Zuhause und kümmerte sich nicht um die Familie. Er trank übermäßig viel Alkohol und kam oft spät abends betrunken nach Hause. Je nach seiner Stimmung schlief er sofort ein oder schrie die Familie an. Zeitweise kam es auch zu Gewalt gegenüber der Mutter, was Lisa mitbekam. Der Vater zeigte keinerlei Interesse an den Kindern und ignorierte sie weitestgehend. Nur wenn es um Schulleistungen ging, machte er Druck und kritisierte Lisa hart und wertete sie ab ("Du bist wirklich zu nichts nütze").

Die Mutter war aufgrund der schwierigen Situation depressiv und lebte zurückgezogen in ihrer eigenen Welt. Sie zeigte ebenfalls nur geringes Interesse an Lisa. Als Lisa 8 Jahre alt war, verließ der Vater die Familie. Daraufhin meldete er sich nur noch schriftlich mit einer Postkarte zum Geburtstag der Kinder. Lisa hat ihn seitdem kaum mehr gesehen. Die Mutter war daraufhin mit der Situation komplett überfordert und verschwand immer wieder für ein paar Wochen, in denen Lisa bei der Großmutter untergebracht wurde. Wenn sie wieder kam, machte sie Lisa Vorwürfe und beschimpfte sie an allem Schuld zu sein.

Als Lisa 11 Jahre alt war zog die ältere Schwester, die ihr noch ein Stückchen Halt gab, in eine andere Stadt. Lisa war daraufhin in ihrer Jugend weitestgehend auf sich allein gestellt.

Prägende Beziehungserfahrungen von Lisa

Prägende Beziehungserfahrungen

Verletzte emotionale Grundbedürfnisse und Schemaentstehung

Durch die prägenden Beziehungserfahrungen kommt es bei Lisa dauerhaft zu einer Verletzung von bedeutsamen emotionalen Grundbedürfnissen. Traumatische Erlebnisse (z.B. Gewalterfahrungen) verstärken diese Verletzungen massiv.

Bei Lisa wurden in der Kindheit und Jugend u.a. folgende emotionalen Bedürfnisse nicht erfüllt:

  • Bindung: Lisa fehlt es u.a. an liebevoller und bedingungsloser Zuwendung, Empathie und Mitgefühl, Sicherheit und Schutz, Geborgenheit und Nähe. Sie wird mit ihren Bedürfnissen und Emotionen nicht gesehen.

  • Autonomie: Lisa kann wenig selbstständig entscheiden, insbesondere da sie sich nur nach den Bedürfnissen der Eltern richten muss. Das eigenständige Verfolgen eigener Bedürfnisse wird sanktioniert. Eine gesunde Selbstbehauptung kann sie damit nicht erlernen.

  • Orientierung/Kontrolle: Die Reaktionen der Eltern sind für Lisa nicht vorhersehbar. Sie handeln impulsiv, so dass Lisa nicht das Gefühl bekommt Einfluss auf die Geschehnisse zu haben. Das führt zu einer Unsicherheit.

  • Selbstwert: Die harsche Kritiker und Abwertungen von Seiten der Bezugspersonen verletzten das Selbstwerterleben von Lisa dauerhaft.

Bei Lisa entwickelten sich daher u.a. folgende Schemata, die als Erwachsene immer wieder "getriggert" werden:

Sie sieht die Welt und die gegenwärtige Situation dann einseitig durch die "Schema-Brille", was zu einem "alten" emotionalen Erleben und dazugehörigen Bewertungen führt.

  • Verlassenheit
    Lisa fühlt sich allein und nicht gesehen wie in der Kindheit. Das löst Ängste und Verzweiflung aus.

  • Emotionale Vernachlässigung
    Sie hat das Gefühl, dass ihre Bedürfnisse nicht gesehen werden und fühlt sich von Mitmenschen, wie z.B. vom Partner, zurückgesetzt.

  • Unzulänglichkeit/Scham
    Sie fühlt sich immer wieder minderwertig, schlecht und schämt sich. Dies führt zu starken Selbstvorwürfen mit denen sich Lisa selbst abwertet und sich nichts mehr zutraut.

  • Aufopferung
    Sie tut alles für andere und geht über ihre eigenen Bedürfnisse aus der Hoffnung etwas mehr Bindung und Zuwendung zu bekommen.

  • Unterordnung
    Die eigenen Bedürfnisse werden hinten angestellt und Lisa ordnet sich den Wünschen und Sichtweisen der Mitmenschen unter.

Eine typische Situation im Leben von Lisa, die in der Therapie mit dem Modusmodell, Stuhldialogen und Imaginationen bearbeitet werden kann

Lisas Freund ist mit seinen Kumpels zum Fußballschauen in der Kneipe verabredet. Er sagt Lisa kurz vorher Bescheid, zieht sich an und will gehen. Lisa wird zunächst sehr wütend, sie schreit ihn impulsiv an und macht ihm Vorwürfe, was für ein schlechter Freund er sei. Als er dann ärgerlich geht bekommt sie starke Schuldgefühle und beschimpft sich selber. Sie spürt Verzweiflung, Hilflosigkeit und Trauer. Die Anspannung wächst und Lisa beginnt sich zu ritzen. Danach fühlt sie sich erschöpft und innerlich leer. Sie zieht sich zurück und meidet Kontakte. Am nächsten morgen probiert sie ihrem Freund jeden Wunsch zu erfüllen aus Angst, dass er sie verlässt.

Die Schemaaktivierung treibt Lisa in der aktuellen Situation in folgende Zustände/Modi

(Der "Gesunde Erwachsenen-Modus" wird erst im Laufe der Therapie erarbeitet und seine Fertigkeiten geübt)

In der Therapie lernt Lisa unter anderem:

  • Achtsam auf die aktuelle Situation mit den ausgelösten Schemata und den aktivierten Modi zu schauen

  • Ein Verständnis aufzubringen, weshalb die starken Emotionen, vor dem biographischen Hintergrund, sie so im Griff haben

  • Die verletzten Gefühle anzunehmen und sich selbst zu trösten und Wege zu suchen die dahinter liegenden Bedürfnisse auf eine erwachsene Art und Weise zu erfüllen

  • Sich mit Akzeptanz und Selbstmitgefühl begegnen

  • Die wütende Seite zu beruhigen und die Energie des Ärgers für die gesunde Selbstbehauptung zu nutzen

  • Belastende innere Kritiker/Antreiber Stimmen auf Distanz zu halten und sich aus der Verstrickung mit ihnen zu lösen

  • Bessere Bewältigungsstrategien zu suchen, die langfristig die eigenen Bedürfnisse erfüllen
    z.B.
    - statt Vorwürfe zu machen, die eigenen Wünsche und Bedürfnisse ggü. dem Partner adäquat ausdrücken
    - statt sich selbst zu verletzen, sich selbst beruhigen, z.B. über Atemtechniken, Selbstfürsorge, soziale Kontakte, Sport/Yoga, Skills für Hochstressphasen etc.
    - den Rückzug beendet und bewusst ins Leben zurückgehen
    - statt sich unterzuordnen, dem Partner verständnisvoll zuhören und in Gespräche auf Augenhöhe gehen

  • Die eigenen und persönlichen Werte zu kennen und sie engagiert im Leben zu verfolgen

Mit der Zeit schafft es Lisa mit den neuen Strategien Schritt-fürSchritt aus den alten Schemata auszusteigen. Die Symptome reduzieren sich deutlich, sie wird ausgeglichener, glücklicher und kann erfüllende Beziehungen zu Mitmenschen aufbauen.​

Im Modusmodell zeigen sich die neuen Strategien:

Modusmodell
Wertekarten

Material: © Beltz Verlag, Weinheim, Basel

Image by Danist Soh

Unsere schematherapeutische Sichtweise in der Praxis

Wie in vielen Therapiemodellen gibt es auch in der Schematherapie unterschiedliche Strömungen. In unserer schematherapeutischen Arbeit für Erwachsene als auch für Kinder und Jugendliche orientieren wir uns an der sogenannten kontextuellen Schematherapie, die eine neuere Entwicklung darstellt. Dabei werden Ideen und Methoden der kontextuellen Therapieverfahren, wie der Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT) in das schematherapeutische Vorgehen integriert.

Insbesondere die Stärkung und Entwicklung des "Gesunden Erwachsenen" ist ein Ziel der Schematherapie. Die Fertigkeiten des gesunden Erwachsenen liegen aus kontextueller Perspektive u.a. in:

  • Der achtsamen Wahrnehmung der aktuellen schemaauslösenden Situation und der damit einhergehenden aktivierten Modi (emotionalen Zuständen, innere Bewertungsprozesse, Bewältigungsimpulse/Verhalten)

  • Die Betrachtung der Dynamik der aktivierten Modi aus einer Beobachterperspektive (Selbst-als-Kontext) mit der Fähigkeit bewusst zwischen den Instanzen zu wechseln und sich aus starren Selbstkonzepten zu befreien

  • Einer von Akzeptanz geprägten Haltung gegenüber den emotionalen Reaktionen der Kindmodi

  • Die Fähigkeit sich aus der Verstrickung mit belastenden gedanklichen Bewertungen der inneren Kritiker/Antreiber zu befreien (kognitive Defusion)

  • Dem bewusst werden der eigenen Werte

  • Die persönlichen Werte mit engagierten Handeln verfolgen und adaptivere Verhaltensweisen im Gegensatz zu den Bewältigungsmodi zu nutzen

  • Und dies alles aus einer Perspektive des Selbstmitgefühls

Diese Fertigkeiten stellen gleichzeitig die Kernprozesse der ACT ​dar.

Wir integrieren in unsere schematherapeutische Praxis ​gezielt Interventionen der ACT sowie von self-compassion Ansätzen und passen sie auf die jeweiligen Ziele des schematherapeutischen Vorgehens und der Bedürfnisse der Patient:innen an.

Zudem folgen wir in unserer schematherapeutischen Praxis weitestgehend dem Vorgehen der kontextuellen Schematherapie von Eckhard Roediger (Institut für Schematherapie Frankfurt - IST-F) und Kollegen mit seinen Entwicklungen, u.a. dem dynamischen Modusmodell und dem 2-Beine-Modell, sowie dem Vorgehen von Matias Valente (Institut für Schematherapie Stuttgart) mit seinem Einbezug der ACT.

Dieses Vorgehen spiegelt sich auch in unserer Arbeit mit Paaren wieder.

weitere Infos zur kontextuellen Schematherapie (für Therapeut:innen) erhalten Sie u.a. hier:

  • Roediger, E., Stevens, B. & Brockman, R. (2018). Contextual Schema Therapy - An Integrative Approach to Personality Disorders, Emotional Dysregulation, and Interpersonal Functioning. New Harbinger

  • Valente, M. (2021). Schematherapie: Ein Leitfaden für die Praxis. Kohlhammer

  • Roediger, E. (2016). Schematherapie: Grundlagen, Modell und Praxis. Schattauer

  • Heßler-Kaufmann, J. (2022). ACT-Prozesse in der Schematherapie nutzen. Schattauer

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